Willkommensbroschüre von Muslim_innen für muslimische Flüchtlinge

Es ist nicht leicht, in unserem komplizierten Land Fuß zu fassen, in dem selbst viele Einheimische nicht mit den grundlegenden Regeln klarkommen. Wie soll es da erst Flüchtlingen gehen, die aus einer völlig anderen Kultur mit starker religiöser Tradition hierherkommen? Jenen, die in Bayern landen, hilft nun eine kostenlose Broschüre (allerdings mit Kritikpunkten), sich mit unseren Regeln vertraut zu machen.

Die 14-seitige Broschüre „Willkommen in Deutschland. Wegweisung für muslimische Migranten zu einem gelingenden Miteinander in Deutschland“ des Münchner Forums für Islam geht auf einige wenige, aber sehr wichtige Themen und Lebensbereiche ein: von der Begrüßung über Bildung, Toleranz, Gleichberechtigung, bis hin zur unantastbaren Würde des Menschen und der Trennung von Müll. Das Ganze begleitet von Sätzen aus dem Koran, die die Aussagen aus Sicht des Islam positiv untermauern.

Im Ansatz ist die Broschüre sehr gut, richtig und wichtig – und sicherlich für den Anfang im fremden Land ein besserer Ansatz, als Flüchtlingen einfach ein unkommentiertes Grundgesetz in die Hand zu drücken. Doch möchte ich auch einige Kritikpunkte zu bedenken geben, wenn Sie die Broschüre verteilen sollten.

Das Thema „Geschichte“ bspw. behandelt leider nur den Zweiten Weltkrieg, als wäre er das einzige geschichtliche Ereignis, das Deutschland definiert. Zwar ist z. B. der Hinweis auf die Abkehr von Gewalt auch für viele Einheimische, die derzeit Gewalt gegen Flüchtlinge ausüben, ein äußerst bedenkenswerter. Und das Foto einer zerbombten deutschen Stadt hat natürlich große Symbolkraft, gerade für die Kriegsflüchtlinge. Doch eine wenigstens kurze Erwähnung der wichtigsten kulturellen und politischen Errungenschaften vor dem II. WK hätte auf jeden Fall noch Platz haben müssen. Denn auch sie machen Deutschland zu dem Land, das es ist.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Trennung von Religion und Staat m. E. nicht deutlich genug gemacht wird:

„Das Grundgesetz steht über der Politik, der Polizei, der Bundeswehr, der Justiz. Es ist die gemeinsame, verbindliche Grundlage auch aller Religionsgemeinschaften.“

Dieser zweite Satz lässt m. E. zu viel Raum für Interpretation und kann schnell zu Missverständnissen führen. Eine „verbindliche Grundlage“ sagt nicht eindeutig genug aus, dass das Grundgesetz auch über den Gesetzen aller religiösen Gemeinschaften steht, also die letztlich entscheidende Instanz ist. Da aber viele Menschen aus Gegenden zu uns flüchten, in denen die Religion das Gesetz ist, lässt die Broschüre m. E. ausgerechnet hier die nötige Klarheit im Ausdruck vermissen.

Sie sollte deshalb sicher nicht einfach kommentarlos verteilt, sondern in Gesprächen ausführlicher erklärt werden. Eine mögliche Neuauflage wird hoffentlich inhaltlich entsprechend angepasst werden.

Die Broschüre soll, wie die Süddeutsche Zeitung vermeldet, mit einer Startauflage von 26.000 Exemplaren in drei Sprachen (Deutsch, Englisch, Arabisch) erscheinen. Weitere Sprachen, so das Forum, seien in Vorbereitung. Die Broschüre ist zudem hier kostenlos zum Download verfügbar (zu den Links müssen Sie dort etwas nach unten scrollen).

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