Flüchtlingsfrauen aus ihrer Isolation holen: z. B. durch Besuchsdienste

Die Frauen der Gastarbeiter hatten nie eine Chance. Sie waren für Staat, Politik und Wirtschaft uninteressant. Deshalb sind so viele von ihnen bis heute isoliert, sprechen kaum Deutsch und haben keine deutschen Freund_innen. Damit dies mit den Flüchtlingsfrauen nicht auch geschieht, kann ein Besuchsdienst eine große Hilfe sein.

Flüchtlingsfrauen sind oft isoliert, wenn aus Sprachmangel kein Austausch möglich ist, oder wenn sie kleine Kinder haben, eine verlässliche Betreuung nicht gewährleistet ist und sie deshalb nicht einmal an Sprachkursen teilnehmen können. Sind sie dann auch noch weit abgelegen in einer Massenunterkunft untergebracht, haben auch sie kaum eine Chance auf ein freies und selbstbestimmtes Leben im neuen Land.

Weit über 80 Frauen (Deutsche und Migrantinnen) sind deshalb in der Kleinstadt Barsinghausen unterwegs, um ganz gezielt die weiblichen Flüchtlinge zu unterstützen. Beinahe täglich, sagt mir die Vorsitzende des Internationalen Frauentreffs, erhalte sie einen Anruf, ob noch jemand da sei, die eine weitere Flüchtlingsfrau besuchen könne. Und es meldeten sich immer mehr neue Frauen, die gerne Besuchsdienste übernehmen würden, von der Studentin bis zur Rentnerin.

Seit 30 Jahren ist sie selbst nun aktiv und weiß aus Erfahrung:

„Es ist für die geflüchteten Frauen immer besonders schön, wenn sich jemand auch um sie kümmert, wenn sie jemand besuchen kommt.“

Und „Besuch“ bedeutet in diesem Fall zunächst wirklich nur das: ein Besuch auf eine Tasse Kaffee oder Tee, ein Abklären, ob man sich irgendwie verständigen kann (zur Not auch mit Händen und Füßen), ob die Chemie stimmt, ob weiterer Kontakt erwünscht ist. Bei gegenseitiger Sympathie wird mehr daraus: regelmäßige Treffs, gemeinsame Spaziergänge, die Stadt zeigen, mit weiteren Frauen treffen (in Barsinghausen z. B. zum monatlichen Internationalen Frauenfrühstück), damit die geflüchteten Frauen wissen, dass sie nicht alleine sind.

Im Laufe der Zeit kann sich der Besuchsdienst ausweiten: Hilfe bei Behördenschreiben und -terminen, bei Ärzt_innen, beim Deutschlernen – also das, was auch die meisten Hilfsprojekte in Deutschland anbieten.

Probleme mit den Ehemännern der Frauen hat es so gut wie nie gegeben. Wenn die gesehen hätten, sagt die Vorsitzende des Frauentreffs, dass es ihren Frauen immer besser ging, seien sie froh und dankbar für die Unterstützung gewesen.

Der Sohn durfte alles, die Tochter nichts – heute ist sie Juristin

In Barsinghausen wurden am Ende viele der Migrantinnen, die zu Beginn besucht wurden, selbst zu Helferinnen. Die Gruppe von Frauen, die Besuchsdienste übernehmen, besteht heute ungefähr zur Hälfte aus Migrantinnen. Und viele deutschstämmige Helferinnen haben im Lauf der Jahre die Sprachen ihrer „Schützlinge“ gelernt, sodass sie sich heute mit den neu angekommenen Flüchtlingsfrauen teilweise in deren Muttersprache verständigen können.

Warum dieser Besuchsdienst gerade für die geflüchteten Frauen und Mädchen besonders wichtig sein kann, zeigen diese Beispiele aus Barsinghausen:

„Vor vielen Jahren besuchte ich eine afghanische Frau. Ihr Sohn durfte alles, ihre Tochter durfte nichts. Ich habe sehr oft und sehr lange mit ihr und ihrem Mann gesprochen, um sie davon zu überzeugen, dass die Tochter hier die gleichen Rechte hat und die gleichen Chancen haben sollte. Heute ist die Tochter Juristin.

Eine andere Frau war mit vier Kindern nach Deutschland gekommen. Sie selbst hatte nie die Schule besucht. Hier wurde sie nur geduldet, weshalb die Kinder auch keine Ausbildung machen durften. 20 Jahre lang konnte die Familie jederzeit abgeschoben werden. Die Mutter konnte nachts gar nicht schlafen. Sie konnte nur mit mir über ihre Sorgen reden, konnte sich nur bei mir ausweinen, damit die Kinder das nicht mitbekamen. Wir haben dann gemeinsam darum gekämpft, dass die Kinder zur Schule gehen dürfen. Das Ergebnis ist: zwei Kinder sind auf dem Gymnasium, eine Tochter hat gerade ihr Studium der Sozialpädagogik abgeschlossen.“

Von einem anderen Besuchsdienst berichtet die Vorsitzende:

„Eine Frau konnte der Kinder wegen nicht zum Deutschkurs der Volkshochschule gehen. Ich habe ihr dann Deutschunterricht zu Hause gegeben. Sie war in ihrer Heimat Englischlehrerin, und sie hat die deutsche Grammatik fast schneller gelernt, als ich sie ihr beibringen konnte. Irgendwann habe ich sie bei der VHS zur Prüfung angemeldet, weil sie so gut war. Damit sie diese Prüfung auch ohne Teilnahme an den Kursen machen konnte, musste sie erst einmal eine Vorprüfung ablegen. Aber das klappte.“

Ob das ohne die Unterstützung des Besuchsdienstes geklappt hätte, ist fraglich. Doch gibt es zahlreiche solcher Beispiele: diese Frauen hätten vielleicht nie richtig Deutsch gelernt, wären für immer isoliert geblieben wie so viele der Gastarbeiterfrauen. Durch den Besuchsdienst dieser vielen ehrenamtlichen Helferinnen aber konnten sie sich hervorragend integrieren. Der persönliche Kontakt über eine andere Frau half ihnen, die Grenzen der Fremdheit zu überwinden, und ermöglichte ihnen eine volle Teilhabe an der Gesellschaft.

Welchen Tipp hat die Vorsitzende des Frauentreffs für andere Frauen, die solche Besuchsdienste nun auch in ihrem Ort anbieten möchten?

„Das ist wie bei anderen Kontakten: wenn man sich nicht sympathisch ist, sollte man nichts erzwingen. Man sollte langsam vorgehen und nichts überstürzen. Es ist ganz wichtig, Geduld zu haben und dranzubleiben, diese Frauen langfristig zu unterstützen.“

 

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